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man mir auch erlauben, dieses Neue nicht immer für wahr zu halten".-- A.G. Eberhard ("Blicke in Tiedges und Elisas Leben", S. 19) erzählt von Christoph Aug. Tiedge (1752-1841): "Einmal vorzüglich musste ich seine andauernde Geduld bei meinen wiederholten Kritteleien ganz vorzüglich bewundern. Als ich nämlich im Manuskript der Urania auf eine Stelle stiess, die einen sehr ansprechenden Gedanken enthielt, äusserte ich gegen ihn, dass er daraus ein wahres Kleinod für die Stammbuchsentenzen-Schreiberinnen bereiten könnte, wenn er sich die Mühe gäbe, sie möglichst gedrängt und glatt in der äusseren Form und hierdurch recht mund- und gedächtnisgerecht zu machen. Er machte sich sogleich an diese Arbeit, aber immer hatte ich noch bald diese, bald jene Ausstellung zu machen, bis der Hauptgedanke möglichst zusammengedrängt war, die darin befindlichen Gegenstände symmetrisch gegenübergestellt und die Verse, zwei und drei, gleich lang waren. Durch den eingeworfenen Scherz, dass es schon einiger Mühe wert sei, eine klassische Stammbuchsentenz für Mit- und Nachwelt zurecht zu machen, entstand endlich die Stelle: /* Sei hochbeseligt oder leide: Das Herz bedarf ein zweites Herz. Geteilte Freud' ist doppelt Freude, Geteilter Schmerz ist halber Schmerz. */ Zwar hätte ich wohl gegen "doppelt" statt "doppelte" noch eine Einwendung zu machen gehabt; allein ich unterliess es, um ihn nicht aus seiner guten Laune zu bringen und ungeduldig zu machen. Meine Prophezeihung ist auch so in Erfüllung gegangen: jene Stelle hat in dem Munde unzähliger Leser fortgelebt und ist in eine Menge von Stammbüchern eingeschrieben und eingekritzelt worden". Die Verse 221-224 des vierten Gesangs der "Urania" (1801) sind die citierten. Rückert hat darüber eine Glosse gedichtet (Ges. poet. Werke in 12 Bänden, 7, 326).
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